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Satzungsänderung zur Habilitation: die Konsequenzen
Während der Diskussionsprozess um eine Neugestaltung der Habilitationsrichtlinien offenbar noch im Laufen ist, wurden über eine Satzungsänderung (und damit von einem Tag auf den anderen) grundlegende und für Habilitationsverfahren höchst relevante Bestimmungen in Kraft gesetzt.
Die derzeit gültigen Habilitationsrichtlinien unserer Universität sind (mit geringen Adaptionen) seit etwas über 15 Jahren in Kraft und dass Habilitationsrichtlinien nach so langer Zeit einer mehr als oberflächlichen Überarbeitung unterzogen werden, kann als normaler und sinnvoller Vorgang angesehen werden.
Die Habilitation stellt als "venia docendi" eine Lehrberechtigung an der den Titel verleihenden Universität dar. Habilitierte haben das Recht, selbständig Lehrveranstaltungen anzukündigen und abzuhalten, und auch wenn mancherorts "gleichzuhaltende Qualifikationen" formuliert werden, stellt die Habilitation tatsächlich in vielen Fällen die formale Berechtigung zur Betreuung von Diplom/Masterarbeiten oder Dissertationen dar. Eine solche Betreuung ist wiederum integrales Ausschreibungskriterium zahlreicher PostDoc- und Laufbahnstellen. (Wortlaut UG: "Mit der Erteilung der Lehrbefugnis ist das Recht verbunden, die wissenschaftliche oder künstlerische Lehre an dieser Universität mittels deren Einrichtungen frei auszuüben sowie wissenschaftliche oder künstlerische Arbeiten … zu betreuen und zu beurteilen)
Somit spielt die Habilitation auch ohne direkten Einfluss auf das Arbeitsverhältnis eine zentrale Rolle in der individuellen Karriereplanung und damit auch für die Motivation zur Forschung, deren Ergebnisse ja einen zentralen Qualitätsindikator der Universität darstellen. Änderungen der Habilitationsrichtlinien sollten also gut überlegt sein – was möchte man damit erreichen, welche unbeabsichtigten Folgen könnten Änderungen nach sich ziehen?
Springen wir 15 Jahre zurück: eine Anpassung der Lehrkriterien an das "neue" Curriculum mit seinen oft geringen Stundenstückelungen war unumgänglich geworden, die im Bereich der Publikationen damals noch teilweise existierenden "Klinik-spezifischen Listen" (Klinik definiert ihre Topjournals völlig losgelöst von objektiven Indikatoren) waren gleichermaßen Ablehnung und dem Wunsch zur Nachahmung ausgesetzt. Und natürlich wurde seitens des Rektorats versucht, jeden Mangelzustand in der Lehre dadurch zu beheben, indem man ihn als habilitationsrelevant erklären sollte und möglichst auch noch in eine Pflichtkategorie verschiebt.
Am Ende eines umkämpften Prozesses standen neue Richtlinien und eine mehrjährige Übergangszeit, innerhalb der man wahlweise nach alten oder neuen Richtlinien einreichen konnte.
Der 2025 zu beobachtende grundlegende Unterschied: ohne dass die Diskussionen um eine Neugestaltung der Richtlinien beendet wurde und daraus Habilitationsrichtlinien mit Regelungen zu Inhalten, Gültigkeitsbeginn und Übergangsfristen hervorgegangen wären, wurden grundlegende und für Habilitationsverfahren höchst relevante Bestimmungen über die Satzung festgelegt.
Essentiell zum Verständnis: wir haben damit keine Übergangsfristen, Satzungsbestimmungen treten mit dem Tag der Publikation des Mitteilungsblattes in Kraft.
D.h. von heute auf morgen gilt ein abgeschlossenes Doktoratsstudium ("oder allenfalls eine gleichzuhaltende Qualifikation") als Voraussetzung zur Habilitation (was für den klinischen Bereich wohl relevanter ist als für den grundlagenwissenschaftlichen). Nicht als Vorausschau auf die neuen Habilitationsrichtlinien, sondern (zumindest) für alle Habilitationseinreichungen nach Erscheinen des Mitteilungsblattes (die Satzung spricht von einem Antragserfordernis, wodurch bereits laufende Verfahren davon nicht betroffen sein sollten).
Weiters: die Satzung legt nun auch fest, dass die Wiederaufnahme eines Habilitationsverfahrens nach erfolgter Ruhendstellung auf Basis der dann gültigen Richtlinien erfolgt. Nicht nur, dass diese Regelung neu ist (und ihre Implementierung rechtlich unvermeidlich wäre): sie bildet genau das Gegenteil von dem ab, was in der gleichen Satzung für Nostrifizierungsverfahren festgelegt wird: diese werden explizit zu "Einreichungsbedingungen" fortgeführt.
In Summe sehen wir hier nicht nur eine (für manche Antragstellungen) massive und überfallsartige eingeführte Änderung – sondern ein weiteres Beispiel für fehlenden Kommunikationswillen und letztlich fehlende Wertschätzung des Mittelbaus. Wir werden genau beobachten und berichten, wie es mit der Neugestaltung der Richtlinien weitergeht.
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Demokratisches (Un)Verständnis
Dass österreichische Universitäten keine demokratischen Systeme darstellen, ist – zumindest dem Mittelbau - leidvoll bekannt. De facto wurde das in der Monarchie 1907 abgelöste Kurienwahlrecht in das Universitätsgesetz übernommen, wodurch 130 Professoren im 26-köpfigen Senat der MedUni Wien über 13 Sitze verfügen, während dem Mittelbau bei einer Kopfzahl von 4500 gerade einmal 6 (!) Sitze zugestanden werden.
So weit, so schlecht.
Dass der Mittelbau jedoch die einzige Kurie ist, welche an der MedUni Wien noch tatsächliche Wahlen abhält und alle anderen Kurien mit "Einheitslisten" (also ein einziger Wahlvorschlag als "Wahlmöglichkeit") antreten, ist mehr als ein Kuriosum - es ist ein bedenkliches Spiegelbild des universitären Selbst- und Demokratieverständnisses.Wer sich im Universitätsgesetz die darin enthaltene Architektur der universitären Leitungsorgane näher ansieht, entdeckt ein (in seinen autoritären Grundzügen) strategisch wohldurchdachtes System von drei Leitungsorganen, welche sich in gewissem Ausmaß gegenseitig kontrollieren. Diese "Kontrolle" ist zu einem großen Teil darauf aufgebaut, dass ein Leitungsorgan das andere wählt – der Senat wählt den UniRat, der Unirat den Rektor (wobei er dabei an einen Dreiervorschlag des Senats gebunden ist), Unirat und Senat können gemeinsam einen bestehenden Rektor für eine weitere Amtszeit "verlängern", wenn sich dieser keinem Ausschreibungsverfahren stellen möchte, etc..
Problematisch sind in dieser Architektur mehrere Punkte: dass die intendierte Kontrolle zur (wie es der ehemalige Vorsitzende unseres Universitätsrates Erhard Busek formulierte) "strukturellen Korruption" verkommt (eine Hand wäscht die andere), dass völlig ungeniert politischer Einfluss auf die Universitäten ausgeübt wird (die Bundesregierung entsendet 2 Mitglieder in den - zu diesem Zeitpunkt dann vierköpfigen - UniRat), und – dass die Grundprinzipien des modernen Demokratieverständnisses nicht einmal ansatzweise erfüllt werden.
So stellt der Senat das einzige Leitungsorgan dar, in welchem alle Mitarbeiter-Gruppierungen der Universität vertreten sind (also der Mittelbau, das Allgemeine Personal, die Studierenden sowie die Professoren), die jeweiligen Personen resultieren (mit Ausnahme der Studierenden) aus einem direkten Wahlvorgang.
Nun resultiert aus einem direkten Wahlvorgang noch lange nicht Demokratie – siehe Einparteiensysteme oder, um ein besonders treffendes Beispiel aus der heimischen Geschichte zu nennen: das Kurienwahlrecht in der Monarchie (Cisleithanien) welches bis 1907 in Kraft war: verschiedene Kurien wählen, im Zielgremium ist jedoch pro Kurie eine vorbestimmte Anzahl von Sitzen fix reserviert, welche nichts mit den tatsächlichen Personenstärken (und damit abgegebenen Wahlstimmen) zu tun haben. So werden (kehren wir zurück zur Universität) in einem 26-köpfigen Senat 130 Professoren 13 Sitze zugestanden, während 4500 Angehörige des Mittelbaus über gerade einmal 6 (!) Sitze in diesem Gremium verfügen (und damit über gleich viele wie die Gruppe der Studierenden).
Also: auch ansatzweise kein demokratisches System. Aber immerhin ein pluralistisches System, welches das Instrument des Listenwahlrechts mit Leben erfüllt und welches seine Mandatare im freien Wettkampf der besten Ideen zwischen konkurrierenden Listen ermittelt?
Nicht an der MedUni Wien: Wie den Wahllisten für die ab 12. Juni stattfindenden universitären Wahlen zu Senat, Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen und KA-AZG VertreterInnen zu entnehmen ist, repräsentiert der Mittelbau die einzige Kurie, die noch "echte" Wahlen abhält – während hier für jedes der zu wählenden Gremien vier Listen zur Wahl stehen, haben sich Professoren wie auch das Allgemeine Personal zu "Einparteisystemen" reduziert: EINE einzige Liste steht "zur Wahl".
Ein demokratiepolitischer Niedergang, der in der österreichischen Universitätslandschaft seinesgleichen sucht - und der auch realpolitische Konsequenzen hat, da die 13 fix gesetzten ProfessorInnen sich dadurch erfahrungsgemäß allzu oft einer demonstrativen Einigkeit innerhalb ihrer Kurie verpflichtet fühlen – und sich damit eben nicht (immer) als unabhängige und frei gewählte Mandatare, sondern bisweilen als Echokammer der in Vorbesprechungen mit der gesamten Kurie akkordierten Meinungen verstehen. Woraufhin dann 13 Professoren "im Block" ident abstimmen... in einem 26-köpfigen Gremium. -
Forschungssicherheit und Sicherheits-Checks in heimischen Zielvereinbarungen
Im Rahmen des beispiellosen Konflikts von US-Präsident Trump (vor allem) mit Universitäten der Ivy-League wurde Harvard ein Verbot der Aufnahme ausländischer Studenten angedroht – und im Jahr 2025 tatsächlich zeitweise auferlegt. Betroffen war dabei nicht nur die Aufnahme, sondern auch die Weiterinskription, über 7.000 internationale Harvard-Studierende standen kurzfristig vor der Exmatrikulation. Harvard setzte sich mit rechtlichen Schritten gegen diese Maßnahme zur Wehr und erwirkte eine einstweilige Verfügung, die den Ausschluss vorerst verhinderte.
Die US-Regierung rechtfertigte ihre Pläne mit angeblichen Defiziten bei der Sicherung „amerikanischer Werte“ und forderte, Harvard solle Herkunft und Aktivitäten internationaler Studierender offenlegen. Besonders in den Fokus rückten chinesische Studierende: US-Außenminister Marco Rubio kündigte nun an, künftig „aggressiv“ gegen Studierende mit Verbindungen zur Kommunistischen Partei oder aus sensiblen Technologiebereichen vorzugehen. Dies betraf potenziell mehrere hunderttausend Studierende landesweit – angesichts der Tatsache, dass allein an Harvard etwa ein Viertel aller Studierenden aus dem Ausland stammt und internationale Studierende für US-Universitäten eine zentrale Einnahmequelle darstellen.
Nicht übersehen sollte in diesem Zusammenhang werden, dass auch in der EU die Sorge vor – speziell chinesischer – ausländischer Einflussnahme und Spionage im letzten Jahr spürbar zugenommen hat. So veröffentlichte die EU veröffentlichte im Frühjahr 2024 eine „Empfehlung zur Forschungssicherheit“, in der erstmals systematische Schutzmaßnahmen für kritische Forschungsbereiche wie KI, Quantenwissenschaften oder Biotechnologie eingefordert werden. Formuliertes Ziel ist, dass Universitäten und Sicherheitsbehörden enger zusammenarbeiten und – ähnlich wie in den USA – sensiblere Überprüfungen von Kooperationen, Forschungsprojekten und auch von einzelnen Personen etablieren.
In Österreich wurden diese Vorgaben in den aktuellen Leistungsvereinbarungen der Universitäten mit dem Bildungsministerium teilweise konkret aufgegriffen. So verpflichteten sich unter anderem die Universität Wien und die TU Graz erstmals zu präventiven Maßnahmen gegen ausländische Einflussnahme: Risikoanalysen für internationale Kooperationen, interne Sicherheitschecks für sensible Forschungsprojekte und die Benennung von Ansprechpartnern für Verdachtsfälle sind nun verbindlicher Teil der Hochschulverträge, wobei China oder einzelne Nationalitäten nicht ausdrücklich genannt werden.
Die Sorge der Mittelbauvertreter (nicht nur an den betroffenen Universitäten) war, dass die Verantwortung für den "Sicherheitsstatus" der ausländischen Phd- und Post Doc ForscherInnen dann auf die Betreuerinnen und Betreuer dieser Arbeiten abgeschoben würde.
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Gesetzesnovelle zum Universitätsgesetz
Am 30. April 2025 veröffentlichte das Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung einen Entwurf zur Änderung des Universitätsgesetzes 2002 (UG) und des Bildungsdokumentationsgesetzes 2020. Mit der Veröffentlichung begann zugleich die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen – diese war mit nur 9 Kalendertagen (6 Werktagen) extrem kurz angesetzt.
Wir stellen die geplanten Änderungen vor und fassen die aus unserer Sicht wichtigsten Stellungnahmen zusammen.
Zentrale Inhalte des Gesetzentwurfs:
- Vereinfachtes Aufnahmeverfahren für Forscherinnen und Forscher aus den USA
- Einführung eines amtlichen, einheitlichen digitalen Ausweises für alle Studierenden.
- Aufbau eines bundesweiten Registers und neuer Schnittstellen zur Digitalisierung und Effizienzsteigerung administrativer Prozesse.
- Lockerungen bei der Vergabe gemeinsamer Diplome in europäischen Studienprogrammen.
- Anpassungen zur Umsetzung des neuen Informationsfreiheitsgesetzes
Inhalte der Stellungnahmen:
Begutachtungsfrist
Zahlreiche Institutionen wie die TU Wien die ÖH und auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes betonen die Unangemessenheit der kurzen Begutachtungsfrist, die eine fundierte und breite Auseinandersetzung mit den geplanten Gesetzesänderungen de facto unmöglich macht (üblicherweise beträgt die Begutachtungsfrist für Gesetzesnovellen zumindest sechs Wochen) - für die aktuelle Novelle waren wie eingangs dargestellt lediglich 9 Kalendertage vorgesehen.Kettenvertragsregelung
Der Universitätslehrerverband (ULV) nahm die geplante Novellierung zum Anlass, auf ein vermehrt auftretendes Problem in Zusammenhang mit der Kettenvertragsregelung hinzuweisen und eine entsprechende Änderung anzuregen. Die Stellungnahme des ULV kritisiert insbesondere die Anrechnung geringfügiger Beschäftigung während Elternkarenz auf die Befristungsdauer im Wissenschaftsbetrieb und fordert eine klare gesetzliche Regelung zu deren Ausschluss, um hier die Gleichstellung und soziale Fairness zu sichern.Informationsfreiheit und Einsichtsrechte
Die Novelle will die Bestimmungen des neuen IFG in das UG integrieren und sieht neue Regelungen zur Akteneinsicht und Veröffentlichungspflichten vor. Die Stellungnahmen der TU Wien und des BKA weisen auf Unklarheiten im Verhältnis von UG und IFG hin - besonders wird auf die Problematik hingewiesen, ob einzelne Universitätsorgane oder die gesamte Universität informationspflichtige Stelle sind, und wie mit sensiblen Dokumenten (z.B. Gutachten in Berufungsverfahren) umzugehen ist.Aufnahme amerikanischer Wissenschafter - "Opportunity Hiring"
Ein wesentlicher Teil der Novelle ist die befristete Sonderregelung für die Anstellung von Forscherinnen und Forschern, die derzeit in den USA tätig sind. Während die meisten Stellungnahmen grundsätzliche Offenheit für diese Regelung zeigen, wird vielfach kritisiert, dass die Regelung zu eng auf die USA zugeschnitten ist und auch Talente aus anderen Staaten adressiert werden sollten.Studienzulassung für Drittstaatsangehörige
Insbesondere die TU Wien fordert hier strengere Regelungen für die Zulassung und bessere Möglichkeiten zur Steuerung des Zustroms internationaler Studierender – u.a. durch:- Höhere sprachliche Mindeststandards
- Verpflichtung zu vollständigen Anträgen (sofortige Zurückweisung unvollständiger Bewerbungen),
- Begrenzung der Anzahl der möglichen Zulassungsanträge pro Person und Zulassungsfrist,
- Einführung von Aufnahmeverfahren auch für englischsprachige Bachelorprogramme.
Datenschutz
Das BKA verweist auf offene Fragen beim Datenschutz und auf zahlreiche legistische Unschärfen und empfiehlt, die Umsetzung sorgfältiger zu gestalten und die vorgesehenen Anpassungen besser mit bestehenden Normen abzustimmen.Die Frist zur Stellungnahme endete am 10. Mai 2025, die endgültige Beschlussfassung im Nationalrat steht damit noch aus. Von der MedUni Wien wurde keine Stellungnahme abgegeben.
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EU-Leitlinien für den Einsatz generativer KI in der Wissenschaft
Die Europäische Kommission hat im April 2025 Leitlinien für den verantwortungsvollen Umgang mit generativer Künstlicher Intelligenz (KI) in der wissenschaftlichen Forschung veröffentlicht. Diese Leitlinien dienen als ethisch-normative Orientierung für Forschende, Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen. Ihr Ziel ist es, einen ethisch fundierten und verantwortungsbewussten Einsatz von generativer KI zu fördern – ohne dabei starre oder pauschale Regulierungen vorzugeben. Stattdessen bieten sie differenzierte Empfehlungen, die sowohl die Chancen dieser Technologie als auch ihre Risiken beleuchten.
Als „Living Guidelines“ verstehen sie sich als ein dynamisches Dokument, das angesichts der rasanten technischen Entwicklung regelmäßig aktualisiert wird und durch Feedback aus der Forschungscommunity weiterentwickelt werden kann.
Grundprinzipien
Den Leitlinien liegen vier Grundprinzipien zugrunde, welche die ethische Basis des KI-Einsatzes in der Forschung definieren:
- Zuverlässigkeit: Sicherstellung der wissenschaftlichen Qualität und Robustheit der Forschung. Die Anwendung generativer KI soll so erfolgen, dass Forschungsdesign, Methodik, Analyse und Ressourcen verlässlich bleiben. Insbesondere müssen die von KI erzeugten Informationen auf ihre Korrektheit und Reproduzierbarkeit überprüft werden. Forschende sollten sich der möglichen Verzerrungen und Ungenauigkeiten bewusst sein (z.B. durch unausgewogene Trainingsdaten) und Diskriminierungstendenzen proaktiv entgegenwirken, um wissenschaftliche Integrität zu wahren.
- Ehrlichkeit: Transparenz und Aufrichtigkeit in allen Phasen des Forschungsprozesses, von der Planung über Durchführung und Begutachtung bis zur Publikation. Forschende sollen fair, gründlich und unparteiisch handeln und offenlegen, wenn und wie generative KI in der Forschung eingesetzt wurde. Dieses Prinzip fordert die deutliche Kennzeichnung KI-generierter Inhalte und die ehrliche Berichterstattung über Methoden, um Vertrauen in die Forschung zu erhalten.
- Respekt: Ein verantwortungsvoller KI-Einsatz berücksichtigt die Grenzen und Nebenwirkungen der Technologie. Dazu gehören der ökologische Fußabdruck generativer KI-Systeme sowie gesellschaftliche Effekte wie Bias, mangelnde Diversität, Diskriminierungsgefahren, Fairness und die Vermeidung von Schäden. Respekt bedeutet auch, Informationen sorgfältig zu handhaben: Privatsphäre, Vertraulichkeit und Urheber- bzw. geistige Eigentumsrechte sind zu schützen, und fremde Leistungen sowie Quellen sind angemessen zu zitieren.
- Verantwortung: Rechenschaftspflicht für den gesamten Forschungsprozess von der Idee bis zur Veröffentlichung und darüber hinaus. Forschende und Institutionen übernehmen Verantwortung für Training, Betreuung und die organisatorische Umsetzung von Forschung sowie für die breiteren gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Arbeit. Insbesondere bleibt menschliche Kontrolle oberstes Gebot: Forscherinnen und Forscher tragen die Verantwortung für sämtliche Resultate, die sie mithilfe von KI erzielen, und sie behalten stets die letzte Entscheidungsgewalt. Generative KI darf Werkzeuge bereitstellen, aber niemals die Autorschaft oder Entscheidungsverantwortung übernehmen – diese liegen ausschließlich bei den menschlichen Forschenden.
Empfehlungen für Forscherinnen und Forscher
Um generative KI verantwortungsvoll in der Forschung einzusetzen, richten sich die Leitlinien zunächst direkt an Forscherinnen und Forscher. Ihnen wird insbesondere empfohlen:
- Verantwortung beibehalten: Die primäre Verantwortung für alle wissenschaftlichen Ergebnisse bleibt bei den Forschenden selbst – auch wenn KI-Tools genutzt werden. Wissenschaftlerinnen müssen für die Integrität jeder Information, die durch oder mit Unterstützung von KI generiert wurde, einstehen. Sie sollten Ergebnisse aus KI stets kritisch hinterfragen und validieren, da solche Systeme fehlerhafte oder irreführende Inhalte (etwa Halluzinationen oder falsche Zitate) produzieren können. Wichtig ist, dass KI-Systeme niemals als (Ko-)Autorinnen gelten: Autorschaft impliziert intentionale Zuschreibung und Verantwortung, die ausschließlich Menschen vorbehalten ist. Forschende müssen also die durch KI gewonnenen Erkenntnisse eigenständig prüfen und in ihre Arbeit verantwortungsvoll integrieren.
- Transparenz beim KI-Einsatz: Der Einsatz von generativer KI im Forschungsprozess soll offengelegt werden. Forschende sollten klar benennen, welche KI-Werkzeuge sie substanziell genutzt haben und in welchen Phasen (z.B. bei Literaturrecherche, Datenauswertung oder Textentwurf). Wird KI maßgeblich in der Forschung eingesetzt, gehört dieser Umstand transparent in Publikationen, Berichten oder Bewerbungen kommuniziert. Zudem sollen die Grenzen der verwendeten KI-Modelle offengelegt und deren Einfluss auf Ergebnisse diskutiert werden. Indem Forscher die Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit KI-generierter Resultate überprüfen und auf potentielle Bias oder Unschärfen hinweisen, wahren sie Transparenz und wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit.
- Schutz von Privatsphäre und Vertraulichkeit: Beim Umgang mit sensiblen oder vertraulichen Informationen ist besondere Vorsicht geboten. Eingaben in generative KI (z.B. Texte, Daten, Bilder oder sonstige unveröffentlichte Forschungsergebnisse) können vom KI-Anbieter mitgespeichert oder weiterverwendet werden (etwa zum Training von Modellen). Deshalb sollten Forschende keine vertraulichen Daten oder unveröffentlichten Forschungsergebnisse ungeprüft in externe KI-Systeme eingeben, sofern nicht sichergestellt ist, dass diese Daten weder weitergereicht noch für andere Zwecke (wie zukünftiges Training) genutzt werden. Insbesondere personenbezogene Daten Dritter dürfen nur dann in KI-Tools eingespeist werden, wenn die betroffenen Personen dem zugestimmt haben und die Nutzung mit geltenden Datenschutzregeln (insb. der EU-Datenschutz-Grundverordnung) vereinbar ist. Forschende sind angehalten, sich über die technischen, ethischen und sicherheitstechnischen Implikationen der von ihnen genutzten KI-Dienste zu informieren – etwa wer den Dienst betreibt (öffentlich, privat, kommerziell), wo die Daten verarbeitet werden und welche Nutzungsbedingungen gelten. Institutionelle Richtlinien und Datenschutzeinstellungen der Tools sollten beachtet werden, um Vertraulichkeit und geistige Eigentumsrechte zu wahren.
- Einhaltung rechtlicher Vorgaben: Generative KI in der Forschung ist stets im Rahmen der anwendbaren nationalen, europäischen und internationalen Gesetze zu nutzen – insbesondere hinsichtlich Urheberrecht und Datenschutz. Forschende müssen darauf achten, dass KI-Outputs nicht unbeabsichtigt Plagiate erzeugen. Wenn KI z.B. Text, Code oder Bilder liefert, die auf den Werken Dritter basieren, sind diese Quellen zu erkennen und ordnungsgemäß zu zitieren, um die Urheberschaft anderer zu respektieren. Auch dürfen KI-Modelle nicht dazu verwendet werden, Forschungsdaten zu fälschen oder zu manipulieren – wissenschaftliche Redlichkeit bleibt oberstes Gebot. Sollte ein generatives KI-System personenbezogene Daten im Output produzieren (etwa indem es aus Trainingsdaten etwas reproduziert, das jemanden identifiziert), müssen Forschende verantwortungsvoll damit umgehen und die Datenschutzvorschriften strikt einhalten. Die Wahrung von Autorenrechten und der Schutz sensibler Informationen gelten also gleichermaßen für mittels KI generierte Inhalte wie für konventionell erzeugte.
- Kompetenzen und Bewusstsein ausbauen: Angesichts der schnellen Weiterentwicklung generativer KI sollten Forschende sich kontinuierlich fortbilden, um diese Werkzeuge optimal und verantwortungsvoll zu nutzen. Die Leitlinien empfehlen, verfügbare Schulungen und Trainings wahrzunehmen, um z.B. effektiv zu prompten (Eingabeanweisungen zu formulieren), Ausgaben korrekt zu interpretieren und etwaige Fehlentwicklungen zu erkennen. Forscherinnen sollten sich regelmäßig über neue Funktionen und bewährte Verfahren im Umgang mit KI informieren und einen Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen pflegen, um voneinander zu lernen.
- KI nicht für sensible Bewertungsaufgaben einsetzen: Die Leitlinien raten dringend davon ab, generative KI für sensible Aufgaben der wissenschaftlichen Qualitätssicherung oder Bewertung substanziell einzusetzen – etwa bei Peer-Reviews, Gutachten oder der Bewertung von Forschungsanträgen. Solche Kernaufgaben erfordern menschliches Urteil, Fairness und Vertraulichkeit, die durch KI nicht garantiert werden können. Der Verzicht auf KI in diesen Bereichen verhindert zum einen mögliche Verzerrungen oder Fehlurteile, die durch die bekannten Limitationen aktueller Modelle (Halluzinationen, Bias etc.) entstehen könnten. Zum anderen schützt er das geistige Eigentum und die Originalität wissenschaftlicher Arbeiten: Würde man z.B. ein unveröffentlichtes Manuskript einer KI zur Begutachtung anvertrauen, bestünde das Risiko, dass dessen Inhalte ins Training künftiger Modelle einfließen oder anderweitig ungeklärt wiederverwendet werden. Durch Zurückhaltung beim KI-Einsatz in solchen heiklen Prozessen stellen Forschende sicher, dass Transparenz, Fairness und Vertrauen im wissenschaftlichen Bewertungssystem erhalten bleiben.
Empfehlungen für Forschungseinrichtungen
Auch Forschungseinrichtungen – wie Universitäten, Institute und andere wissenschaftliche Organisationen – spielen eine entscheidende Rolle beim verantwortungsvollen Einsatz von KI. Die Leitlinien empfehlen daher, dass Einrichtungen als Rahmengeber geeignete Maßnahmen ergreifen. Forschungseinrichtungen sollten insbesondere:
- eine Kultur des verantwortungsvollen KI-Einsatzes fördern: Einrichtungen sollten aktiv eine Organisationskultur etablieren, die den verantwortungsvollen Umgang mit generativer KI unterstützt. Konkret bedeutet dies, Richtlinien und Schulungen bereitzustellen, damit Mitarbeitende aller Karrierestufen den kompetenten Umgang mit KI erlernen. Schulungsinhalte sollten unter anderem das Prüfen von KI-Ergebnissen, den Schutz der Privatsphäre, den Abbau von Verzerrungen sowie den Erhalt von Urheberrechten und vertraulichem Wissen abdecken. Zudem sollen Forschungseinrichtungen ein Vertrauensklima schaffen, in dem Forschende sich trauen können, den Einsatz von KI-Assistenz in ihrer Arbeit offen zuzugeben, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Transparenz über KI-Nutzung darf nicht sanktioniert, sondern sollte als Teil guter wissenschaftlicher Praxis verstanden werden. Schließlich obliegt es den Institutionen, interne Leitfäden auszuarbeiten und Support anzubieten, um die Einhaltung rechtlicher und ethischer Anforderungen sicherzustellen – etwa im Hinblick auf Datenschutzgesetze, Urheberrechte oder ethische Prüfverfahren.
- Einsatz und Entwicklung von KI systematisch beobachten: Forschungseinrichtungen sollten die Nutzung von generativer KI in ihren Reihen aktiv nachverfolgen und evaluieren. Dies beinhaltet, einen Überblick darüber zu behalten, welche KI-Systeme in welchen Bereichen der Forschung verwendet werden und wie sie sich weiterentwickeln. Solches Monitoring kann der Organisation vielfältig nutzen: Zum einen können die gewonnenen Erkenntnisse dazu dienen, bedarfsgerechte Schulungen zu konzipieren und herauszufinden, wo zusätzlicher Support nötig ist. Zum anderen hilft die Dokumentation der KI-Nutzung, mögliche Missbräuche oder Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Die Leitlinien regen an, diese Erfahrungen auch mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu teilen, um gemeinsam vom Lernprozess zu profitieren. Ferner sollten Einrichtungen die technischen Grenzen und Leistungsfähigkeit der eingesetzten KI-Werkzeuge analysieren und ihren Forschenden entsprechendes Feedback sowie Empfehlungen geben – beispielsweise welche Modelle sich für welche Aufgaben eignen oder wo Vorsicht geboten ist.
- Leitlinien und Standards institutionell verankern: Die generischen Empfehlungen dieser EU-Leitlinien sollten nach Möglichkeit in die internen Regelwerke der Forschungseinrichtungen integriert oder daran ausgerichtet werden. Das heißt, Einrichtungen sollten ihre bestehenden Richtlinien zu guter wissenschaftlicher Praxis und Ethik um Aspekte des KI-Einsatzes ergänzen oder diese Leitlinien direkt als Referenz heranziehen. Idealerweise werden dabei die Forschenden und weiteren Stakeholder der Organisation einbezogen – zum Beispiel durch offene Diskussionen oder Workshops über den sinnvollen Gebrauch von generativer KI. Die Leitlinien der EU können als Grundlage für den Dialog dienen.
- Vertrauenswürdige KI-Infrastruktur bereitstellen: Wann immer möglich, sollten Forschungseinrichtungen erwägen, generative KI-Tools unter eigener Kontrolle bereitzustellen, etwa lokal gehostete Modelle oder Cloud-Dienste, die von vertrauenswürdigen Partnern betrieben werden. Indem Institutionen KI-Werkzeuge selbst verwalten (oder über verlässliche Dritte, z.B. europäische Plattformen, bereitstellen), schaffen sie eine Umgebung, in der Forschende sensible wissenschaftliche Daten nutzen können, ohne diese an unbekannte externe Anbieter weiterzugeben. Dies erhöht den Schutz von Daten und Vertraulichkeit erheblich.
Empfehlungen für Forschungsförderorganisationen
Schließlich richten sich die Leitlinien auch an Forschungsförderorganisationen und Förderinstitutionen. Diese Organisationen haben durch ihre Förderpolitik und Bewertungskriterien erheblichen Einfluss darauf, wie KI in der Forschung eingesetzt wird. Die Leitlinien schlagen vor, dass Forschungsförderer folgende gute Praktiken übernehmen:
- Verantwortungsvollen KI-Einsatz gezielt fördern: Förderinstitutionen sollten ihre Programme und Förderinstrumente so gestalten, dass sie den ethischen und verantwortungsvollen Einsatz von generativer KI in Forschungsprojekten unterstützen. Konkret kann dies bedeuten, dass Ausschreibungen und Förderbedingungen offen dafür sind, KI-Technologien sinnvoll einzusetzen, solange dies im Einklang mit wissenschaftlichen Qualitätsstandards und Ethik erfolgt. Förderorganisationen können positiv bewerten, wenn Projekte KI nutzen, um ambitionierte Forschungsziele zu erreichen, sofern die Antragstellenden darlegen, dass sie dies reflektiert und regelkonform tun. Gleichzeitig müssen Förderer sicherstellen, dass alle geförderten Vorhaben die geltenden nationalen und EU-Vorschriften einhalten – etwa Datenschutzgesetze oder Urheberrechtsbestimmungen – und den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis beim KI-Einsatz folgen. In ihren Leitlinien gegenüber Geförderten sollten sie klar kommunizieren, dass generative KI-Technologien willkommen sind, aber nur im Rahmen von ethisch und rechtlich einwandfreiem Vorgehen.
- Eigenen KI-Einsatz verantwortungsvoll überprüfen: Förderorganisationen sollten auch in ihren internen Abläufen generative KI nur mit großer Umsicht einsetzen und damit eine Vorbildfunktion einnehmen. Insbesondere bei Bewertungs- und Auswahlprozessen für Forschungsanträge gilt: Die Organisation selbst bleibt voll verantwortlich für jede Entscheidung – KI darf hier höchstens unterstützend wirken, aber niemals eigenständig Bewertungen treffen. Die Leitlinien betonen, dass Förderinstitutionen bei Verwendung von KI-Tools in solchen Prozessen äußerste Transparenz walten lassen müssen (z.B. wenn KI zur Plausibilitätsprüfung oder Vorsortierung von Anträgen genutzt wird) und dass Fairness sowie Vertraulichkeit der Begutachtungsverfahren nicht beeinträchtigt werden dürfen. Generative KI kann etwa helfen, interne Verwaltungsprozesse effizienter zu gestalten, doch sie darf keinesfalls die inhaltliche Begutachtung oder wissenschaftliche Bewertung von Projekten übernehmen – diese obliegt nach wie vor Menschen, um Neutralität und fachliche Qualität zu gewährleisten. Außerdem sollten Förderer nur solche KI-Systeme für interne Zwecke auswählen, die hohen Standards genügen: Qualität und Verlässlichkeit der Ergebnisse, Transparenz der Funktionsweise, Integrität der Datenverarbeitung, Einhaltung von Datenschutz und Vertraulichkeit, Respektierung von geistigen Eigentumsrechten und ein vertretbarer ökologischer Fußabdruck des Tools sollten Kriterien bei der Tool-Auswahl sein.
- Transparenz von Antragstellenden einfordern: Die Leitlinien empfehlen Förderinstitutionen, Offenheit im Umgang mit KI auch von jenen zu verlangen, die Fördermittel beantragen. In der Praxis sollten Antragsformulare oder -richtlinien so angepasst werden, dass Forschende angeben müssen, ob und wie sie generative KI wesentlich genutzt haben, um ihren Antrag oder das geplante Forschungsvorhaben vorzubereiten. Zum Beispiel könnten Antragstellende erklären, wenn KI-Tools bei der Literaturrecherche, Hypothesenfindung oder Datenanalyse eine größere Rolle gespielt haben. Ebenso sollten sie darlegen, welche Rolle KI im geplanten Projekt spielen wird. Diese Angaben helfen den Gutachtern, den Einsatz von KI im Kontext der vorgeschlagenen Forschung einzuschätzen. Wichtig ist, dass Förderorganisationen gleichzeitig ein Vertrauensklima schaffen: Forschende dürfen keinen Nachteil befürchten, wenn sie KI-Nutzung transparent machen.
- Beobachtung und Bildung unterstützen: Angesichts des schnellen Fortschritts im Bereich KI sollten Förderorganisationen kontinuierlich die Entwicklung der Technologien und deren Auswirkungen auf die Wissenschaft beobachten und proaktiv mitgestalten. Konkret können sie Programme auflegen oder finanziell unterstützen, die der Weiterbildung von Forscherinnen und Forschern in Bezug auf ethischen und effektiven KI-Einsatz dienen. Die Förderung von Workshops, Kursen oder neuen Studienprogrammen zum Thema KI in der Wissenschaft zählt ebenso dazu wie die Unterstützung von Forschungsprojekten, die die Folgen von KI auf Forschungsprozesse untersuchen. Die aktive Einbindung in die KI-Landschaft – etwa durch Teilnahme an Arbeitsgruppen, Konferenzen oder Konsultationen zum Thema KI in der Forschung – ermöglicht es Förderern, die Rahmenbedingungen für einen zukunftsfähigen und verantwortungsvollen Wissenschaftsbetrieb mitzugestalten.
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erfüllte AMM-Agenda: Gehaltsanpassung QV alt und iKV
Im Zuge der nunmehr (vorerst) abgeschlossenen Verhandlungen zur KA-AZG Vereinbarung und der Überschreitungsermächtigung für Gehaltsanpassungen im Jahr 2024 konnte ein seit langem von AMM-Vertretern in unterschiedlichen Gremien (siehe auch hier aus dem Jahr 2017) verfolgtes Projekt nun endlich zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden: die Gehaltsangleichung zwischen den MitarbeiterInnen der "QV alt" und denen des aktuellen Karrieremodells (also der internen Karrierevereinbarung), was im Bruttogehalt der im "alten" Karrieremodell Qualifizierten ein Plus von (deutlich) mehr als € 2000.- bedeutet.
Zusätze zu den bestehenden Arbeitsverträgen wurden den Betroffenen bereits zugeschickt, die Gehaltsanpassung erfolgt rückwirkend mit dem 1. Jänner.Der Ausgangspunkt der nun beseitigten Ungleichbezahlung liegt mehrere Jahre und zwei Karrieremodelle in der Vergangenheit, Details finden sich (als Auswahl) in mehreren Beiträgen in unserem AMM-Blog:
- Probleme mit QV neu und dem Karrieremodell (2016)
- QV (alt) vs. EV: ein Gehaltsproblem (2018)
- Klausurtagung Rektorat & Senat: Volf zu Karrieremodellen und Gehaltsproblematik (2022)
Damit wurde nun ein Problem gelöst, welches wurde oft pauschal als vorklinisches Spezifikum punziert wurde (wobei es auch die nicht-klinischen Anstellungsverhältnisse im klinischen Bereich betraf [also Naturwissenschafter, Psychologen, Mediziner in nicht-ärztlicher Verwendung, … ]), tatsächlich jedoch darauf beruhte, dass MitarbeiterInnen im "alten" Karrieremodell ("QV alt" und EV) nach einer Gehaltsanpassung im "neuen" Karrieremodell (iKV) deutlich weniger verdienten als die (zumindest vom Dienstalter her) jüngeren MitarbeiterInnen mit iKV – also im Grunde genau jene MitarbeiterInnen, welche die "alten QVler" ausgebildet und gefördert hatten.Wir freuen uns, dass dieses Thema nunmehr einen guten Abschluss gefunden hat!
Nächste Station: die Etablierung eines weiterführenden Karrieremodells für MitarbeiterInnen mit erfüllter iKV. -
neuer Entwicklungsplan: was steht (nicht) drin?
Der vom Universitätsrat neu beschlossenen Entwicklungsplan der MedUni Wien für die Jahre 2025-2027 "mit strategischem Ausblick bis 2030" liegt nun vor und listet über 88 (lange) Seiten die Maßnahmen, Ziele und Vorhaben der Universität in ihren unterschiedlichen Aufgabenbereichen, welche vorbehaltlich budgetärer Bedeckung in den nächsten Jahren geplant sind. im Schnelldurchlauf: Was findet sich in diesem Dokument (nicht)?
- Nachbesetzungen und neue Professuren (2025-27) nach §98 UG: unten stehend angeführt
- die Zukunft der Professuren im Rahmen des Karrieremodells nach §99 (4) UG:
- eine Abkehr von den "Gruppen-Calls" hin zu gezielten Einzelausschreibungen.
- erwähnt bleibt die neuerliche Möglichkeit eines "Professorinnen-Calls", angesichts der formulierten Zielvorgabe zum Anteil an Frauen in der Prof-Kurie (siehe nächster Punkt) bleiben dazu jedoch zentrale Fragen offen.
- auch in diesem Entwicklungsplan erfolgte wieder eine kommentarlose Kürzung der Anzahl der Professuren im Bereich §99(4). Beim letzten Mal noch als redaktionelles Versehen bezeichnet (welches gleichwohl unkorrigiert blieb), handelt es sich um einen Verlust von zumindest 15 Stellen im Zeitraum bis Ende 2024.
- das als Ziel formulierte "Überschreiten der 25% Marke von Frauen in der Personenkategorie der Universitätsprofessor:innen", welches laut Abb.4 des gleichen Entwicklungsplans aktuell bei 29% (sic!) liegt
- die (recht unverbindlich formulierte) Übernahme eines Mittelbau-Vorschlags zur Etablierung eines strukturierten Austrittsprozesses und die Implementierung strukturierter Austrittsgespräche zur Erhebung der Austrittsgründe.
- keine Umsetzung des Mittelbau-Vorschlags zur Etablierung von Nachwuchs-Forschungsthemen für ausgesuchte Bereiche mit hoher wissenschaftlicher und/oder gesundheitspolitischer Relevanz (exemplarisch vorgeschlagen waren Sexualmedizin, Sport in Prävention und Rehabilitation, Ernährung).
- im Studium der Zahnmedizin:
- die Absichtserklärung, dass einige Teile des 72-Wochenpraktikums im niedergelassenen Bereich absolviert werden könnten, sofern die Qualität der Ausbildung sichergestellt ist
- die (keineswegs von der Studierendenvertretung, sondern vom Mittelbau) stammende Forderung nach einer Aufwandsentschädigung im 72 Wochen Praktikum analog zum KPJ der Humanmedizin findet sich nicht im Entwicklungsplan.
- im allgemeinen Lehrteil einmal mehr der schöne Satz dass die "MedUni Wien über moderne Curricula mit hoher "Outcome"-Qualität" verfügt und ein erneutes Ignorieren der Forderung, dies auch durch entsprechende Maßnahmen zu erheben (bzw. zu belegen) - also an StudienabsolventInnen durchgeführte qualitative Erhebungen zur konkreten Erreichung der Lern- und Ausbildungsziele. Ebenso findet sich keine Absichtserklärung zur Etablierung Verständnis-basierter Prüfungen und einem Abrücken vom Altfragenlernen mit seinen erwiesenen fatalen Konsequenzen.
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Stellungnahme zum Entwicklungsplan
In einer außerordentlichen Senatsitzung wurde am 10. November eine umfangreiche Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf des Entwicklungsplans beschlossen.
Wir geben den narrativen Teil dieser Stellungnahme nachstehend wieder, es gelang hier, wesentliche AMM-Themen und -Konzepte zu inkludieren: Im Bereich der Wissenschaft die bestehende Gehaltsproblematik Klinik vs. nicht-Klinik, die Forderung nach der Schaffung von Incentives für erfolgreiche Drittmitteleinwerbungen sowie die Forderung nach einem qualitativ wie auch quantitativ befriedigenden Zugang zu Professuren nach §99 UG.
Die Stellungnahme im Bereich der Lehre enthält eine beeindruckend komplette Auflistung der bestehenden Probleme und dringend anzugehenden Aufgaben, von der Forderung nach Remuneration der Lehrtätigkeit über das Prüfungswesen bis hin zu den Evaluationen.
Der Senat der Medizinischen Universität Wien begrüßt die Möglichkeit, in den Klausuren des Frühjahrs 2017 sowie in dem mehrmonatigen Diskussionsprozess seit Sommer 2017 an der Erstellung des für unsere Universität so wichtigen Dokumentes mitarbeiten zu dürfen. Der jetzt vorgelegte Entwurf eignet sich in vielen Passagen gut als „Richtschnur“ für die weitere Entwicklung und Positionierung unserer Universität. Im Einzelnen schlagen wir zum vorliegenden Entwurf (übersandt am 21.6.2017) nachstehende Änderungen/Korrekturen/Ergänzungen vor: -
Die Zukunft des Karrieremodells
Als Folge der beschlossenen Novellierung des Universitätsgesetzes kommt es zu einigen grundsätzlichen Änderungen in Bezug auf die Eckpfeiler des universitären Karrieremodells, nämlich der Qualifizierungsvereinbarungen und der Kettenvertragsregelung. Als Folge dieser Änderungen wird es auch zu inneruniversitären Anpassungen des Karrieremodells kommen (müssen) – wir erklären die Entstehungsgeschichte und geben einen Überblick.
Als im August der Begutachtungsentwurf zur geplanten UG-Novelle vorlag, veröffentlichten wir im AMM-Blog dazu eine ausführliche Zusammenfassung, gegliedert in die Bereiche Studien-, Organisations- und Personalrecht. Wir dürfen hier nochmals insbesonders auf den personalrechtlich relevanten Teil verweisen, da (auch wenn sich zum dann endgültig beschlossenen Gesetz einige Details geändert haben) daraus die Problematik und Vordergründigkeit der behaupteten „Verbesserungen“ für die Karriereperspektiven des Mittelbaus gut ersichtlich sind – was wiederum für ein Verständnis der sich abzeichnenden Probleme hilfreich ist.
Änderungen bei den Qualifizierungsvereinbarungen
Grundsätzlich soll in Zukunft die Zahl der Stellen, die für eine QV in Betracht kommen im Entwicklungsplan festgeschrieben werden – das verpflichtet die Universitäten zu einem längerfristigen Planungsprozess (der aber aufgrund der Budgetrelevanz von vergebenen QVs ohnehin gegeben ist) – „in Betracht kommen“ ist auch in einem Ausmaß unkonkret, dass die notwendige Flexibilität bei der tatsächlichen QV-Vergabe gewahrt bleiben wird.
Problematisch wird es ausgerechnet in einem Bereich, der politisch als Karriereförderung des Mittelbaus verkauft wird: Im Rahmen der (schon lange diskutierten und auch nun nicht umgesetzten) Einführung eines Faculty-Modells ("gemeinsame Gruppe aller Universitätslehrer") sollen mehr „Professorenstellen“ für den Mittelbau geschaffen werden: MitarbeiterInnen mit erfüllter QV können/sollen in Zukunft der Professorenkurie angehören. Das ist zwar völlige Augenauswischerei, da diese MitarbeiterInnen dann nur formal der ProfessorenKURIE angehören und sich weder Aufgabenbereich, Dienstpflichen noch ihr Titel ändern.
Jedoch: durch die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zur Professorenkurie wären diese „Professoren light“ bei Wahlen (Senat, Wahl des OEL) bei der Professorenkurie wahlberechtigt, was die dort etablierten und wohlgepflegten Mehrheitsverhältnisse grundlegend verändern würde.
Also lobbyierte die Professorenschaft nach Kräften im Ministerium („die Qualität ist gefährdet“) und erreichte, dass bereits erfüllte QVs für diese „Karrieremodell“ nicht in Frage kommen (Qualität!) sondern nur Personen welche in Zukunft (ganz wichtig: der Zeitpunkt) ein neues (genau: qualitätsgesichertes) QV-Verfahren erfüllt haben. Das Gesetz nennt nun explizit die Durchführung eines internationalen kompetitiven Standards entsprechenden Auswahlverfahrens (das hatten wir schon bisher!), insbesondere ist die Stelle international auszuschreiben. Zum Ergebnis des Auswahlverfahrens sind die UniversitätsprofessorInnen des betreffenden Fachbereichs anzuhören (DA haben wir die Qualitätssicherung).
Allerdings – es geht nicht um Qualität, es geht um Machtverhältnisse und Machterhalt. Und genau aus diesem Grund wird es die „QV neu“ wohl nur in vereinzelten Fällen geben. Um den MitarbeiterInnen auch weiterhin eine Karriereperspektive zu skizzieren und damit das Funktionieren der Universität weiter zu gewährleisten wird (unter einem verträglicheren Namen) eine „QV light“ eingeführt werden mit der im Wesentlichen der status quo fortgeführt wird. Die „Qualitäts-QV“ wird dann nur sparsam und nicht immer nur als Folge der entsprechenden wissenschaftlichen Qualifikation vergeben werden.
Resultat? Die Quadratur des Kreises: man bleibt in der Professorenkurie weitgehend unter sich und sucht sich selber die Mittelbauangehörigen aus, welche „aufsteigen“ dürfen. Man verkauft die Einführung einer „QV light“ als Zugeständnis und Entgegenkommen an den Mittelbau um ihn so vor einem bösen (wenn auch mitverschuldeten) Gesetz zu schützen. UND man hat mit einem potentiellen Stufenmodell QV light – Qualitäts-QV - „richtige“ Professur eine weitere „Karriereebene“ geschaffen um über das reale Problem hinweg zu täuschen dass viele UniversitätsmitarbeiterInnen bereits in ihren 30ern am Ende der Karriereleiter stehen.Zusammengefasst: die heimischen Universitäten werden entsprechende Adaptierungen ihrer bestehenden Karrieremodelle vornehmen – also die Einführung einer „QV light“ welche sich wohl nicht wesentlich vom jetzigen Modell unterscheiden wird. Unter den oben geschilderten Rahmenbedingungen ist das eine universitäre Notwendigkeit. Die Gefahren für den Mittelbau liegen im Wesentlichen in der Unterfinanzierung der Universitäten (und damit einer reduzierten Anzahl an angebotenen QVs) und nicht in „Verschärfungen“ der Verfahrensrichtlinien – in Bezug auf die Qualität müssen wir uns nicht verstecken.
Und die internationale Ausschreibung der „Qualitäts-QVs“ eröffnet endlich den Weg, auch externe WissenschafterInnen auf Laufbahnstellen zu holen, allerdings ist das dann kein „Upgrade“ einer bestehenden Stelle sondern eine potentiell neue Stelle – welche zwangsläufig auf Kosten des bestehenden Stellenpools geht.PS: In Einklang mit diesem skizzierten Weg wird dieser Teil des neuen UGs auch nicht mit dem ersten Jänner, sondern erst mit 1. Oktober 2016 in Kraft treten.Änderungen der Kettenvertragsregelung
Auch in Bezug auf die Kettenvertragsregelung finden sich im novellierten UG Änderungen, und das ist natürlich auch für das zu etablierende neue Karrieremodell relevant. Die bisher in §109 angeführten Bestimmungen behalten ihre Gültigkeit:
- Arbeitsverhältnisse können auf unbestimmte oder bestimmte Zeit abgeschlossen werden. Arbeitsverhältnisse auf bestimmte Zeit sind … auf höchstens sechs Jahre zu befristen.
- Eine mehrmalige unmittelbar aufeinanderfolgende Befristung ist nur bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die im Rahmen von Drittmittelprojekten oder Forschungsprojekten beschäftigt werden, bei ausschließlich in der Lehre verwendetem Personal sowie bei Ersatzkräften zulässig.
Die Gesamtdauer solcher unmittelbar aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers darf sechs Jahre, im Fall der Teilzeitbeschäftigung acht Jahre nicht überschreiten. Eine darüber hinausgehende einmalige Verlängerung bis zu insgesamt zehn Jahren, im Fall der Teilzeitbeschäftigung bis zu insgesamt zwölf Jahren, ist bei sachlicher Rechtfertigung … zulässig.
Ergänzt werden diese Bestimmungen nun durch zwei weitere Absätze:
- Wechselt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer … in eine andere Verwendung, ist … eine einmalige neuerliche Befristung bis zur Gesamtdauer von sechs Jahren, im Falle der Teilzeitbeschäftigung bis zu acht Jahren, zulässig, wobei die Befristungen gemäß Abs. 1, 2 und 3 entsprechend zusammenzurechnen sind. Die Höchstgrenzen des Abs. 2 dürfen nicht überschritten werden.
- Eine andere Verwendung im Sinne des Abs. 3 liegt insbesondere dann vor, wenn durch den Wechsel eine weitere Karrierestufe (z. B. Postdoc-Stelle) erreicht wird oder der Wechsel von oder zu einer Stelle im Rahmen eines Drittmittel- oder Forschungsprojekts erfolgt.
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UG-Novelle: die Faculty-Pflanzerei
Nachdem wir in den zwei vorigen Beiträgen einen Überblick über die Inhalte der in Begutachtung befindlichen UG-Novelle in Bezug auf Studien- und Organisationsrecht gegeben haben, wenden wir uns in diesem Teil dem Personalrechtlichen zu.
Da waren Insider gespannt, ob es zur angekündigten Umsetzung des schon länger geplanten (und bereits unter BM Gehrer im Regierungsübereinkommen angeführten) Faculty-Modells kommt. Dieses Faculty-Modell ("gemeinsame Gruppe aller Universitätslehrer") sollte die Apartheid-artige und längst nicht mehr zeitgemäße Kurientrennung Professoren/Mittelbau ablösen.
Der reflexartige Widerstand der Professorenschaft war argumentativ schwach ("darunter leidet die Qualität"), wurde aber mit umso größerem Einsatz geführt und so lobbyierten die Professoren was das Zeug hielt (und auch der eine oder andere Rektor aus unserer schönen Stadt soll hier eine unrühmliche Rolle gespielt haben). Das aus Vorentwürfen der UG-Novelle ersichtliche Ergebnis: Nur UniversitätslehrerInnen mit erfüllter Qualifizierungsvereinbarung sollten mit den (jetzigen) Professoren eine gemeinsame Kurie bilden - alle anderen - also selbst Habilitierte ohne QV und auch alle Habilitierten aus dem "alten" (Beamten)Dienstrecht - blieben aus dieser "Faculty" (die damit den Namen längst nicht mehr verdienen würde) ausgesperrt.
Eine unverständliche Regelung - doch auch dieser Unsinn entspricht nicht dem letzten Stand: der Begutachtungsentwurf der Novelle enthält ein völlig wirres, verfahrenstechnisch absurdes und hoch kompliziertes Modell von "wenn-dann" und "wäre/könnte". Unter dem Strich: alles bleibt wie es ist, aber die grundsätzliche Möglichkeit den einen oder anderen "Mittelbauer" in die Professorenkurie überzuführen besteht… aber nur wenn die Professoren das bei dieser bestimmten Person auch wollen. -
UG-Novelle: Organisationsrechtliche Änderungen
Teil zwei unserer kommentierten Zusammenfassung der geplanten Novelle des Universitätsgesetzes, diesmal zu den organisationsrechtlichen Änderungen.
Was soll hier die Zukunft bringen? Manche der beabsichtigten Änderungen unterwandern (wieder einmal) die Autonomie der Universitäten - so sollen Kreditaufnahmen durch Universitäten nur nach Genehmigung durch das Ministerium möglich sein, der Entwicklungsplan soll sich an den Leistungsvereinbarungen orientieren (!) wodurch er de facto komplett der Mitbestimmung durch den Senat (als einzig demokratisch legitimiertes Leitungsgremium der Universität) entzogen wäre.
Die "Abkühlphase" für ehemalige Politiker (dürfen erst nach 4 Jahren einem UniRat angehören) soll nun auch auf ehemalige Rektoren ausgedehnt werden.
Und in Berufungskommissionen sollen künftig auch Angehörige anderer Universitäten oder postsekundärer Bildungseinrichtungen vertreten sein können.Entwicklungsplan
- Der Entwicklungsplan soll nun mittels rollierender Planung für die zwei kommenden Leistungsvereinbarungsperioden erstellt werden und hat sich "an Inhalt und Aufbau der Leistungsvereinbarung zu orientieren".
Letzteres ist insofern bedenklich (und absurd), als der Entwicklungsplan ein universitätseigenes Instrument darstellt in dessen Erstellung und Beschluss alle Leitungsorgane der Universität (Rektorat, Senat, UniRat) eingebunden sind. Jede "Orientierung" an einer (vom Rektor mit dem Ministerium geschlossenen) Leistungsvereinbarung beschränkt die Mitwirkung der universitären Leitungsorgane stark und stellt letztlich einen Eingriff in die Universitätsautonomie dar.
- Der Entwicklungsplan hat weiters neben einer Beschreibung der Personalentwicklung und Personalstrategie auch die Zahl der UniversitätsprofessorInnen gemäß §§ 98 und 99 zu beinhalten sowie die Anzahl jener Stellen, die für eine Qualifizierungsvereinbarung "in Betracht kommen".
Dass im Entwicklungsplan nun auch die Professuren nach §99 enthalten sein sollen, ist an sich begrüßenswert da diese Professuren an der MedUni Wien bislang unter größtmöglicher Vertraulichkeit und ohne strukturelle bzw. universitätsstrategische Notwendigkeit vergeben wurden. Das Grundproblem dieser Professuren wird damit jedoch nicht gelöst: nämlich die fehlende Transparenz bei Ausschreibung (die fehlt auch bei §98) und Besetzung (freihändige Vergabe durch den Rektor).
Die Unverbindlichkeit der Formulierung "für eine QV in Betracht zu kommen" lässt die Sinnhaftigkeit einer solchen Regelung nicht erkennen. Die Karriereplanung des Mittelbaus wird dadurch sicher nicht gefördert.Universitätsrat:
- Für Mitglieder des UniRats soll auch künftig die schon bestehende vierjährige Sperrfrist für ehemalige Politiker gelten. Zusätzlich soll diese auf die Rektoren (nicht aber Vizerektoren) der jeweiligen Universität ausgedehnt werden. Weiters sollen im UniRat künftig keine Mitglieder der Schiedskommission der Universität und keine Mitglieder eines obersten Organs einer anderen Universität vertreten sein.
Bislang war es erlaubt, dass Senatsmitglieder einer Universität in "fremden" Uniräten saßen und - auch hier war die MedUni Wien unrühmlicher Vorreiter - es war gesetzlich auch nicht untersagt als Vizerektorin der MedUni Wien im UniRat einer anderen (durchaus konkurrierenden, in diesem konkreten Fall MedUni Innsbruck) Universität zu sitzen. Also eine eindeutig notwendige Modifizierung. Dass ehemalige Rektoren hier zumindest eine "Abkühlphase" durchmachen müssen bevor sie an der eigenen Universität UniRat werden können, scheint vernünftig.
- Die Mitglieder des Universitätsrats erhalten für ihre Tätigkeit eine Vergütung des Zeit- und Arbeitsaufwandes, die vom Universitätsrat festzusetzen ist. Die Bundesministerin oder der Bundesminister hat durch Verordnung Obergrenzen für die Vergütung festzusetzen, wobei für Gruppen von Universitäten unterschiedliche Obergrenzen festgelegt werden können.
Neu ist hier nur die beabsichtigte Einführung einer Obergrenze, damit ist das eine halbherzige Augenauswischerei anstatt am völlig absurden Grundproblem anzusetzen welches lautet: Der UniRat setzt weiterhin sein eigenes Gehalt fest.
Genehmigungsvorbehalt des Ministeriums bei Krediten
- Vor dem Eingehen von Haftungen oder vor der Aufnahme von Krediten ab einer Betragsgrenze von 10 Millionen Euro soll zukünftig die Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers einzuholen sein.
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UG-Novelle: Studienrechtliche Änderungen
In der Begutachtungsphase befindet sich eine Novelle des Universitätsgesetzes - wir fassen hier kurz kommentiert zusammen, was an Neuerungen geplant ist. Nicht nur aufgrund der besseren Lesbarkeit teilen wir diesen Überblick in die unterschiedlichen Thematiken (Studium, Organisationsrecht, Personalrecht).
Den Originaltext dieser Novelle haben wir unter AMM/Links als pdf zur Verfügung gestellt. In diesem ersten Teil also die beabsichtigten Änderungen im Studienrecht. Interessant (wenn auch nicht auf den ersten Blick ersichtlich): die Zahl der Studienplätze im Bereich der Human- und Zahnmedizin soll erhöht werden (selbst wenn man einen Vollausbau von Linz einrechnet). Weiters: halbherzige Bestimmungen zu studentischen Plagiaten, "Prüfungseinsicht" nun auch für die Eignungstests im Rahmen der Aufnahmeverfahren und längere Passagen zur Studienplatzfinanzierung (die es aber nichts desto trotz auch weiterhin nicht geben wird). Das KPJ und Regelungen zur Aufwandsentschädigung sollen in das UG aufgenommen werden.Plagiarismus
- Bei schwerwiegendem und vorsätzlichem Plagiieren oder schwerwiegendem und vorsätzlichem anderen Vortäuschen von wissenschaftlichen Leistungen im Rahmen von Abschlussarbeiten (Bachelorarbeiten) kann das Rektorat einen Ausschluss vom Studium für höchstens zwei Semestern (!) verfügen.
Es bleibt völlig unklar, was mit dieser Regelung erreicht werden soll: ein Ausschluss vom Studium für (maximal) zwei Semester bei schwerem (wissenschaftlichen) Fehlverhalten hilft sicherlich nicht die gewünschte Kultur der StudienabsolventInnen der jeweiligen Universität zu sichern sondern stellt letztlich eine rein wirtschaftliche Sanktionierung dar.
Studienplätze
- Für die Studien der Human- und Zahnmedizin (aber entsprechende Regelungen /Zahlen werden auch für Psychologie sowie Veterinärmedizin angegeben) muss im Sinne einer bedarfsgerechten Studienplatzentwicklung eine Zahl von bis zu 2000 Studienplätzen für Studienanfängerinnen und –anfänger pro Studienjahr und Studienfeld österreichweit ansteigend zur Verfügung gestellt werden.
"Bis zu" bezieht sich offenbar auf den Zeitrahmen bis zur Vollumsetzung (und nicht auf die tatsächlich umzusetzende Zahl). Die genannte Anzahl von Studienanfängern ist mit Linz (auch in der beabsichtigten Endausbaustufe) NICHT zu erreichen; hier klafft eine Lücke von zumindest 200 Plätzen. Es ist - nicht nur angesichts der aktuellen budgetären Rahmenbedingungen - völlig unklar wie eine solche Erhöhung der Zahl der Studienplätze umgesetzt werden soll. § 71d hilft hier auch nicht weiter, da demnach der Zugang ENTWEDER durch ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung ODER durch die Auswahl der Studierenden bis längstens zwei Semester nach der Zulassung beschränkt werden kann.
Rechtsschutz bei Prüfungen
- Den Studierenden ist Einsicht in die Beurteilungsunterlagen und in die Prüfungsprotokolle zu gewähren (sechs Monaten ab Bekanntgabe der Beurteilung), dies umfasst explizit auch die Prüfungsfragen. Die oder der Studierende ist berechtigt, diese Unterlagen zu vervielfältigen. Vom Recht auf Vervielfältigung ausgenommen sind Multiple Choice-Fragen inklusive der jeweiligen Antwortmöglichkeiten.
Das wahrhaft Interessante hier ist wahrscheinlich gar nicht die Frage, wieso MC Fragen von dieser Regelung ausgenommen sind, sondern eine Urheberrechtsfrage: die Urheberrechte der Prüfungsfragen liegen bei den Fragenautoren und um dieses Problem zu umschiffen, sehen die "neueren" Personalverträge an der MUW auch eine Abtretung dieser Rechte vor. Faktum ist aber, dass eine Vielzahl von Universitätslehrenden nach wie vor über dieses Urheberrecht an ihren Fragen verfügen, das Recht auf Vervielfältigung wird auch in diesem Zusammenhang zu diskutieren sein.
- Im Zuge des Aufnahmeverfahrens muss ebenfalls Einsicht in die Beurteilungsunterlagen und in die Prüfungsprotokolle gewährt werden. Die Beurteilungsunterlagen umfassen auch die bei der betreffenden Prüfung gestellten Prüfungsfragen. Im Rahmen der Einsichtnahme ist auch eine individuelle Rückmeldung zur Beurteilung zu geben.
Hier also Einsicht, aber keine Vervielfältigung. "Eine individuelle Rückmeldung zur Beurteilung" klingt nett, ist angesichts der enormen Anzahl von Studienwerbern jedoch völlig unpraktikabel.